Mein Opa und der Fritzdorfer Kirchbrand

Da kommt er wieder. Alt ist er geworden. Mein 1979 verstorbener Stiefopa Ferdinand Schüller. Langsam trottet er am Wohnzimmerfenster vorbei. Es klingelt. Ich mache die Türe auf. „Opa, willst du reinkommen?“ Langsam kommt er herein. „Jong, häste mol ene Schnaps?“ Ich öffne die Türe von der Bar meines Vaters und hole die Flasche Korn raus, schenke ihn einen ein und er nippt vorsichtig daran. Jetzt wird er gleich wieder die Geschichte vom Brand des Fritzdorfer Kirchturm erzählen, in der er als mutiger Retter aufgetreten ist. „Hüe ens, esch moss de jett vezelle…“

Blenden wir zurück zum 4. Februar 1945. Der Ort wurde an diesem Tag mit einem Bombenteppich belegt. Fritzdorfs ehemaliger Ortsausschussvorsitzender Peter Schmitz, der das Bombardement als 16-Jähriger erlebte, blätterte in der Pfarrchronik. Das stattliche Buch ist mit Bildern ausgestattet und für die Dokumentation der Fritzdorfer Geschichte unersetzlich.

Zu lesen ist dort, die Pfarrchronik wolle sich bescheiden und nur über das „furchtbarste Kriegsjahr 1945, was die Pfarrgemeinde anbetrifft“, berichten. Der 4. Februar 1945 war ein Sonntag. „Damals glaubten wir, etwas gesicherter zu sein. Mit dem Einrücken einer Sanitätstruppe hofften wir, unter dem Schutz des Roten Kreuzes zu stehen. Aber als man an Sicherheit dachte, brach das Verderben über uns herein." Peter Schmitz saß an diesem Tag mit seiner Mutter und Geschwistern am Abendbrotstisch, als der Fliegeralarm ertönte.

Er floh mit seiner Familie in einen nahe gelegenen Erdbunker in unmittelbarer Nähe des Pastorats. „Unheimlich brummend kreisten die Flieger über unserem Dorf. Um neun Uhr prasselte plötzlich ein Hagel von Brandbomben auf uns nieder. Es wurde taghell und 25 Scheunen und viele Wohnhäuser standen in Flammen." Fritzdorfs Bürger versuchten, sich und ihr Hab und Gut zu retten, Nachbarn zu helfen. Viele von ihnen flüchteten in die Dorfkirche. Bauerntochter Gertrud Küpper aus der Schmiedegasse versuchte, das elterliche Haus zu löschen. Dabei wurde sie durch eine Brandbombe schwer am Kopf verletzt und starb nur wenig später auf dem Weg ins Krankenhaus.


Gegen 22 Uhr begann zum Entsetzen der Fritzdorfer, die Kirchturmspitze zu brennen. „Unheimlich langsam fraß sich das Feuer den Turm hinunter", steht in der Pfarrchronik. Die Meckenheimer Feuerwehr versuchte, den Turm zu retten. Es fehlte jedoch an Löschwasser. Schon war das Kirchenschiff von den Flammen bedroht. Das Kreuz stürzte von der Kirchturmspitze auf das Dach. Schnell wurde das Allerheiligste ins benachbarte Pfarrhaus getragen, die Kirche ausgeräumt. Um Mitternacht schlug die St. Georgs-Glocke noch sieben Mal, bevor sie wie Wachs gemeinsam mit dem Einklöppler zerschmolz. Das Feuer drang bis zur Orgeltribüne vor. Das Instrument, die alte Sebastianusfigur und der Baldachin für die Fronleichnamsprozession fielen den Flammen zum Opfer. „In letzter Minute drang Ferdinand Schüller unter Lebensgefahr durch die Deckenluke und lenkte von dort den Wasserschlauch. Er rettete die Kirche." Vier Stunden nach Ausbruch des Brandes war die Gefahr gebannt.

Am Tag nach dem Brand wurde Jakob Moitz schwer verletzt. Aufgrund dieser Tatsache wurde Jakob Moitz als Retter der Kirche bekannt und nicht mein Stiefopa Ferdinand Schüller. Dies machte ihm sein ganzes Leben zu schaffen und deshalb erzählte er seine Geschichte vom Kirchbrand immer wieder. Zu erwähnen ist noch, dass Jakob Moitz wegen der Folgen der Verletzung eine Rente erhielt.

Bereits am gleichen Abend wurde in der stark lädierten Kirche wieder eine Messe gelesen. Wenige Tage später war der Schutt aus dem Turm geräumt. Wehmut herrschte wegen des Verlustes der Glocken. Einige Wochen lang konnte man durch das Innere des Turmes den Himmel sehen, doch die Fritzdorfer Schreiner reagierten schnell, schufen ein Notdach und neue Bänke für die Orgeltribüne. Bis heute erinnert der Kirchturm-Torso an die Ereignisse.

Mein Opa hat seinen Schnaps ausgetrunken und seine Geschichte erzählt. Für eine kurze Zeit konnte er wieder in die Erinnerung an das größte Ereignis in seinem Leben eintauchen. Durch das Wohnzimmerfenster kann ich noch sehen, wie er langsam wieder nach Hause geht. Es geht ihm wieder gut.

siehe auch: Fund einer Brandbombe aus dem Zweiten Weltkrieg